Heisskalt und „Vom Tun und Lassen“: Zur radikalen Akzeptanz
24.01.2025 | Jakob Uhlig
Vielleicht gibt es irgendwo ein Paralleluniversum, in dem Donald Trump nicht gerade wieder Präsident von Amerika geworden ist, in dem in den letzten Jahren kein Angriffskrieg Europa erschüttert hat und in dem keine Pandemie das Leben von Millionen Menschen gekostet hat. In unserem Universum aber sind alle diese Dinge geschehen und die Zeit zwischen dem letzten Heisskalt-Album „Idylle“ und ihrem neuen Werk „Vom Tun und Lassen“ ist eigentlich eine, in der in der Welt alles völlig aus den Fugen geraten scheint. Dass Nachrichten wie die Rückkehr einer zurecht unheimlich verehrten, aber lange verschwundenen Lieblingsband auch in so einer Realität mal wieder passieren, erklärt vielleicht noch ein Stück mehr die frenetischen Schreie der Begeisterung, die die mittlerweile wieder zum Quartett avancierte Gruppe empfangen darf. Hinzu kommt aber auch noch, dass „Vom Tun und Lassen“ an vielen Stellen gar nicht nach dem apokalyptischen Weltschmerz klingt, den man von einer Band wie Heisskalt angesichts solch ungestümer Lebensumstände erwarten könnte. Vielmehr ist ihr Comeback auf paradoxe Art ein Stück beruhigender Heimkehr.
Man erinnere sich dazu einmal an die Musik zurück, die Heisskalts vorläufiges Ende markiert hatte. Auf „Idylle“ hatte die Band in vielerlei Hinsicht Kontrapunkte markiert. Ihr einst weitläufiger und wuchtiger Sound war trockenem Post-Punk-Minimalismus gewichen, Songs über das sorglose Jungerwachsenenleben mit einem Schuhkarton voll Weed waren eh längst passé, die existenzielle Sprachgewandtheit war direkterer, unverblümterer Metaphorik oder sogar vermeintlich völliger Sinnlosigkeit gewichen. Auf „Vom Tun und Lassen“ ist von diesem destruktiven Nihilismus nicht mehr viel zu spüren. Im Gegenteil fühlt sich dieses Album – nicht nur wegen dem zu den ersten beiden Heisskalt-Platten analogen Titel – wieder ein Stück nach der Rückkehr zur inneren Ruhe an, was nicht heißt, dass diese Platte in Banalität abdriften würde. Aber während Heisskalts klanglicher Gestus auf ihrem neuen Album tendenziell wieder zum weiten Reverb-Gewitter und den großen Melodiebögen neigt, sprechen die Songs auf „Vom Tun und Lassen“ eher von Akzeptanz und dem Bleiben von dem, was zu begreifen ist. „Wasser, Luft und Licht“, die erste Singleauskopplung der Platte, spricht so zum Beispiel in ganz grundlegender Wortwahl über das menschliche Dasein und entfaltet dabei eine gewisse Faszination für das Bekannte. „Ich frage nicht mehr wohin ich gehör“, klingt es am Anfang des Songs recht sinnbildlich nach einer Suche des Verstehens, die vielleicht gar nicht mit Erkenntnis enden muss.
Diese Leichtigkeit und Klarheit, die die Songs auf „Vom Tun und Lassen“ wiedergefunden zu haben scheinen, agieren trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – immer wieder auch mit einer Wut, die man von Heisskalt so noch gar nicht kannte. Besonders auf der zweiten Hälfte des Albums tauscht die Band ihre innere Ruhe immer öfter gegen geradezu punkige Akte ein und zeichnet – wie es beispielsweise im Song „Mit Worten und Granaten“ heißt – eine klanglich klare Konfrontation der „Idee von Gut und Böse“. Und doch kommen auch diese angriffslustigen Territorien immer wieder mit Klarheit über das Dasein: „Was für ein Wunder, das ich atme/ Was für ein Wunder, es gibt dich!“ „Vom Tun und Lassen“ ist so immer wieder Kontrapunkt gegen alles Zerrüttete. Hilflosigkeit wird zu Wut, das Entfernte wird egal.
Heisskalts viertes Album ist so eine ganz eigentümliche Art von Comeback. Es entwickelt sich wieder in einem Sound, der klingt, als wäre „Idylle“ nie geschehen, und bleibt doch nicht bei Retromanie, sondern interpretiert sich selbst mit mehr Gelassenheit. Das ist eine nicht nur musikalisch beeindruckende Sicherheit, die mit riesiger Erwartungshaltung immens beruhigt umgeht, sondern vor allem auch die Art von Platte, die im Zeitalter der zunehmenden Auflösung von allem sicher Geglaubtem Zuversicht gibt. „Vom Tun und Lassen“ ist kein Album der großen Worte, die den Sturz in den Abgrund als aufhaltbar erklären. Heisskalt haben eine Platte geschrieben, die akzeptiert, dass man nicht immer alles beeinflussen kann. Vielleicht fühlt sich auch deswegen die Rückkehr dieser Band wie ein Stück Erlösung an.
Wertung
Nach all den Jahren präsentieren Heisskalt ein Album, das sich nicht in gänzlich neuem Gewand präsentiert und doch nicht altbacken anmutet. Das ist nicht nur beeindruckend, sondern klingt auch sehr notwendig.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.